Ach schade, jetzt werden wir niemals erfahren, wie sich eigentlich die 51-jährige Zwickauer Hausfrau Ilona, die zugleich Chippendales-Fan und Reinlichkeitsfanatikerin ist, in einem Fischerdorf der Dominikanischen Republik als Ersatzmutter angestellt hat; ob die tätowierte 51-jährige "Vollblutmutter" Liane aus Oerlinghausen bei Bielefeld, die gerne Marianne Rosenberg hört und auf Süßigkeiten steht, zwei Wochen in dem Strohhüttendorf in der Kalahari durchgehalten hat; und ob sich die modebewusste Maniküre-Mutter Lydia (33), die nicht kochen kann, doch noch mit Jaipur in Indien als vorübergehendem Ersatz für ihre gute Stube in Groß-Glienicke anfreunden konnte.
Wahrscheinlich haben Sie's im WM-Trubel nicht mitgekriegt, aber Kabel 1 hat gerade die neue Reality-Reihe "Mama International" abgesetzt.
Was schon deswegen ganz lustig ist, weil schon mal Sat.1 vor drei Monaten die neue Reality-Reihe "Mama International" abgesetzt hat. Um sie dann zu Kabel 1 abzuschieben.
Screenshot: Kabel 1
Insofern behält der Off-Sprecher jetzt natürlich Recht mit seiner Ankündigung in der ersten Folge:
"Es ist ein einmaliges Experiment mit ungewissem Ausgang."
Wobei: halb so schlimm. Wir wissen eh schon, was in den nächsten Wochen alles passiert wäre, schließlich kündigte "Mama International" bereits ausschweifend an, wer sich sein "Urlaubsparadies offensichtlich anders vorgestellt" hat, wer noch "an seine körperlichen Grenzen gebracht" wird, und wer "nach dem ersten Tag am liebsten schon wieder alles hinschmeißen" möchte. Es ist eine Unart des deutschen Reality-Fernsehens, Schein-Ereignisse aus kommenden Episoden mit raunenden Ankündigungen vorherzusagen und farbenentsättigte Horrorbilder dazu einzublenden.
Wenn Hausfrau Illona daheim in Zwickau für die Kamera also das WC putzt und erzählt, wie wichtig ihr Sauberkeit sei, lauert im nächsten Schnitt der Kameraschwenk aufs gräuliche Gastfamilienplumpsklo, dazu heißt es:
"Ob das stille Örtchen auch in ihrer Gastfamilie ein Aushängeschild ist, das weiß Illona jetzt noch nicht."
Aber die Zuschauer wissen's! Und vielleicht ist das auch ein Grund, warum am vergangenen Dienstag selbst für derzeitige WM-Verhältnisse nur sehr, sehr wenige Zuschauer eingeschaltet haben, was den "Frauentausch"-Klon nun auf ewig im Archiv der ProSiebenSat.1-Gruppe verschwinden lässt.
Dass die Programmmacher aus diesem Doppelflop etwas lernen, zum Beispiel: dass das muntere Hin- und Hergeschiebe unterschiedlicher Programme zwischen den einzelnen Sendern möglicherweise gar nicht so clever sein könnte, ist nicht anzunehmen. Schon länger funktioniert Kabel 1 in der Gruppe ja vor allem als Resterampe (wenn zum Beispiel Sat.1 toxischen Reality-Schrott oder zuschauerarme Kaufserien loswerden will) und Ersatzteillager (wenn ausnahmsweise mal ein hochgepäppelter Hit im Programm läuft, der wie "The Biggest Loser" an die große Schwester abgetreten werden muss).
US-Krimiserien wie "Navy CIS" laufen sowohl bei Kabel 1 als auch bei Sat.1 rauf und runter. Sat.1 zeigt seit vielen Wochen freitagabends die Pro-Sieben-Produktion "Switch reloaded". Große Shows am Donnerstag teilen sich Pro Sieben und Sat.1 schon seit längerem geschwisterlich – im Juli startet z.B. die nächste Staffel "Got to Dance" auf beiden Kanälen.
Und wenn die Programmmacher viele Sendungen für so austauschbar halten, dass es letztlich egal ist, wo sie floppen laufen, dann wäre es doch konsequent, die einzelnen Sender einfach in ProSiebenSat.1, ProSiebenSat.2 und ProSiebenSat.3 umzubenennen. Dann braucht auch nicht alle paar Monate ein neuer Claim für einen Restesender erfunden werden.
Der aktuelle von Kabel 1 lautet übrigens:
"So sieht's aus."
